Presse – August 2020

Eine Leipziger Gesundheits-Utopie

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Die Corona-Krise hat erneut die Schwächen unseres Gesundheitssystems aufgedeckt, doch wie könnte man Gesundheitsversorung radikal anders denken? Die "Poliklinik" versucht in Leipzig-Schönefeld neue Ideen von Gesundheit umzusetzen.

Zwischen Gesundheit und Profit

In den vergangenen Monaten wurde sichtbar, wie anfällig das deutsche Gesundheitssystem ist. Wie die hohen Ansteckungszahlen des Schlachtbetriebs Tönnies gezeigt haben, ist Gesundheit noch immer eine Frage der Klasse. Aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen sind Arbeiter*innen einem höheren Risiko für ihre Gesundheit ausgesetzt, besonders in Zeiten von Corona. Sie haben aber gleichzeitig auch einen schlechteren Zugang zum Gesundheitssystem, weil sie zum Beispiel nur gesetzlich versichert sind und nicht die finanziellen Mittel für Behandlungen haben, die über den Kassenkatalog hinausgehen.

Ein weiteres Problem ist die zunehmende Profitorientierung im Gesundheitssystem. "Die Art, auf die im Gesundheitssystem abgerechnet wird, ist nicht bedarfsorientiert", erklärt Rosa von der Hochschulgruppe "Kritische Medizin Leipzig". Es werden nicht die Behandlungen abgerechnet, die ein*e Patient*in braucht, sondern die, die der Finanzplan vorsieht. Dies führt laut Rosa auch dazu, dass "möglichst viele Leistungen in möglichst kurzer Zeit geleistet werden", worunter die Behandlung leidet. Gerade durch die zunehmende Privatisierung von Krankenhäusern geht es nicht mehr darum, Patient*innen die beste Versorgung zu bieten, sondern Profite zu steigern. Dies hat zur Folge, dass die Zahl der leerstehenden Betten auf ein Minimum reduziert wird und Pflegekräfte unterbezahlt werden. All das wurde während der Corona-Krise spürbar.

Ein solidarisches Gesundheitszentrum für Leipzig

Seit Januar diesen Jahres bietet die Poliklinik in Leipzig-Schönefeld eine Alternative. In Zusammenarbeit mit Kliniken in ganz Deutschland setzt sie sich für eine soziale und solidarische Umsetzung von Gesundheit ein. Im Verständnis der Poliklinik spielen die individuelle soziale und psychische Situation eines Menschen mit in dessen Gesundheit. Deshalb sieht die Klinik auch Stadtteilarbeit und die Einflussnahme auf Gesundheits- und Sozialpolitik als einen Teil ihrer zentralen Aufgaben. Dabei geht es darum, die Gesundheit ganzer Bevölkerungsgruppen zu verbessern.

Die Idee dahinter ist: Wenn es jetzt in einem Viertel, zum Beispiel, eine enorme Luftverschmutzung gibt, darunter leiden sehr viele Menschen und es wirkt sich negativ aus, dass man guckt, ob man dann eher einen politischen Weg einschlägt.

Jonas Löwenberg, Poliklinik

Welche Leistungen bietet die Poliklinik an?

Es wird unter anderem daran gearbeitet Gesprächskreise anzubieten, um Menschen eine Möglichkeit zum Austausch zu geben. Zum Beispiel können Menschen mit chronischen Erkrankungen diese Plattform nutzen, um sich über ihre Erfahrungen auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen. Die Klinik ist außerdem eine Beratungsstelle, die Besucher*innen zum Beispiel an Therapieplätze und soziale Programme vermittelt.

Des Weiteren teilt sich die Poliklinik in Leipzig die Räume mit der Clearingstelle und Anonymer Behandlungsschein Leipzig e.V., der eine Anlaufstelle für Personen ohne Krankenversicherung und ohne Papiere ist. Diese stelle anonyme Behandlungsscheine aus, mit denen Patient*innen dann im Krankenhaus behandelt werden können, so Jonas Löwenberg.

Der Text stammt von mephisto 97.6, der Beitrag ist leider nicht mehr abrufbar.

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